Jedes Jahr im April verleiht Königin Silvia von Schweden in Stockholm den Welt Kinder Preis, einen „Nobelpreis der Kinder“ für engagierte Erwachsene, die sich für Kinder in der dritten Welt einsetzen und mit diversen Projekten und einer Menge Eigeninitiative den vielen Aufgaben widmen, die sich im Kampf gegen Ausbeutung, langjährige Traditionen, Krankheit und Armut ergeben.
Unsere Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse haben sich im GL Unterricht intensiv mit den Rechten von Kindern auseinandergesetzt. Hierzu nutzten wir die Kinderrechtszeitung „THE Globe“, die uns im Verlauf der folgenden Wochen begleitete. Wir sprachen über verschiedene Probleme in Indien, die von der Kinderrechtsheldin Rosi Gollmann aus Bonn seit den 1950er Jahren angegangen werden und aus deren Engagement sich die Andheri Hilfe Bonn gründete. Gollmann (mittlerweile fast 90 Jahre alt) kümmert sich seit 60 Jahren um die Ärmsten der Armen. Sie versucht Hilfe durch Selbsthilfe zu etablieren, denn nur so kommen die häufig verzweifelten Familien aus der Bredouille ihre weiblichen Kinder zu töten. In Indien ist es Tradition, dass die Familie der Braut die Hochzeit zahlt. Eine Ehre und häufig große finanzielle Belastung, die Familien bereits kurz nach der Geburt weiblicher Kinder zu einer solch schrecklichen Tat verleitet. Die Andheri Hilfe Bonn verschafft unter anderem jungen Frauen Ausbildungs- und Arbeitsplätze, um ihnen so einen finanziellen Puffer zu ermöglichen, der ihnen die traditionelle Bezahlung der Hochzeit ihrer eigenen Tochter ermöglicht.
Im weiteren Verlauf lernten wir Manuel Rodrigues kennen, der sich in Afrika dafür einsetzt, dass Kinder durch ärztliche Behandlung vor Blindheit bewahrt werden. Das frühzeitige Erkennen von Krankheiten wie dem grauen oder grünen Star sowie die Aufklärung über Hygiene, die die Flussblindheit oder Trachome verhindern, gehören ebenso wie die Stärkung der Rechte von blinden Kindern zu seinem unermüdlichen Einsatz. Rodrigues erblindete als kleiner Junge selber und erfuhr, wie schwer es sein kann als blindes Kind in einem Entwicklungsland zu leben und mit welchen Problemen man konfrontiert wird. Sein starker Wille und unermüdlicher Drang zu helfen, macht ihn neben Rosi Gollmann zu einem wahren Helden.
Die dritte nominierte Kandidatin ist Molly Melching. Sie setzt sich seit den 1970er Jahren gegen die traditionelle Beschneidung von jungen Mädchen in Afrika ein. Mit ihrer Organisation Tostan klärt sie die Einwohner von entlegenen Dörfern auf und informiert über die folgende lebenslange seelische und körperliche Verletzung, die durch die Verstümmelung der Genitalien der jungen Mädchen bleibt. Ein dreijähriges Ausbildungsprogramm über Gesundheit, Bildung und Umwelt richtet sich an die gesamte Dorfgemeinschaft und stärkt dabei die Rolle der Frau und ihrer Rechte. Mittlerweile kann ihr Programm Tostan über 7200 Dörfer zu ihren erfolgreich ausgebildeten Mitstreitern zählen, die Genitalverstümmelung, Kinderehe und Zwangsheirat aus ihrer Dorftradition verbannt haben. Damit bildet Melching als dritte, ebenso würdige potentielle Preisträgerin, den Abschluss der Nominierten. Nachdem wir alle drei Kinderrechtshelden und ihre Projekte genau beleuchtet hatten, folgte der nächste Schritt in dieser Unterrichtseinheit; die Wahl des Kinderrechtshelden an der Marie-Kahle Gesamtschule. Damit sind wir eine von 70.000 Schulen in 115 Ländern, die sich für die Rechte der Kinder einsetzten, aufklären und mit der Abgabe der individuellen Einzelstimme den meistgewählten Kinderrechtshelden küren.
Für die Wahl in unserer Schule erstellten die Schülerinnen und Schüler individuelle Wahlzettel, die jeweils klassenintern zur Auswahl standen. Der beste Wahlzettel gewann und wurde für die knapp 30 Schülerinnen und Schüler je Klasse kopiert. Es folgte im Anschluss die Vorbereitung und Durchführung der Wahl. Hierzu mussten natürlich der genaue Ablauf und die dazugehörigen Aufgaben vor, während und nach der Wahl geklärt werden.
Nach den erfolgreich verlaufenen Wahlen mit keinerlei ungültigen Stimmzetteln und einer Wahlbeteiligung von 100 % wurden die jeweiligen Klassenergebnisse intern verkündet. Die Stimmen für die drei Kinderrechtshelden aus dem 8. Jahrgang unserer Schule übermittelten wir dann an die Kooperationspartner in Stockholm, die uns herzlich für unser Engagement dankten und uns versicherten, dass unsere Stimmen für die Wahl im April 2017 eingegangen seien. Als Zeichen des Dankes für unser Engagement, die Stärkung von Kinderrechten zu thematisieren, wurde unsere Schule in den Verbund der World Children Schools aufgenommen.
Mittlerweile haben wir Mitte Mai und die Wahl der Kinderrechtshelden ist abgeschlossen. 40,6 Millionen Kinder haben sich an der Wahl beteiligt und entschieden, dass der Welt Kinder Preis 2017 an Manuel Rodrigues verliehen wird. Rosi Gollmann und Molly Melching erhielten den Welt-Kinder Ehren Preis.
Diese wichtige und sehr lehrreiche Unterrichtseinheit hat unseren Schülerinnen und Schülern einen tiefen Einblick in diverse Länder ermöglicht. Ihnen ist bewusst geworden, welch schreckliches Unrecht Kindern und Jugendlichen in der Welt widerfährt und wie man sich gezielt dagegen richten kann. Die aktive Teilnahme an der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung einer Wahl brachte den Schülerinnen und Schülern auch dieses komplexe Prozedere inhaltlich näher. Zuletzt sei die Ehrung für unermüdliches Engagement durch 40,6 Millionen Kinder weltweit erwähnt, die ein Zeichen dafür ist, dass die Hilfe, die man anderen gibt auch ernsthaft wahrgenommen wird.
Ein herzliches Dankeschön für die Beteiligung an dieser Unterrichtseinheit, die ohne das ernsthafte und interessierte Mitmachen unserer Schülerinnen und Schüler nicht möglich gewesen wäre.
Für die Schulgemeinde – Jonas Reinhold